"Döner-Morde" ist Unwort des Jahres

Das "Unwort des Jahres 2011" steht fest: Unter allen Einsendungen ging der Ausdruck "Döner-Morde" zahlenmäßig klar als "Unwort des Jahres" hervor, gefolgt von "Gutmensch" und "marktkonforme Demokratie".



 Der Begriff „Döner-Morde“ hat das  Rennen um den Titel zum "Unwort des Jahres 2011" gemacht.  "Mit der sachlich unangemessenen, folkloristisch-stereotypen Etikettierung einer rechts-terroristischen Mordserie" würden die Opfer in höchstem Maße diskriminiert, "indem sie aufgrund ihrer Herkunft auf ein Imbissgericht reduziert werden", kritisierte die Jury.

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Der Erfinder dieser Wortschöpfung, mit der Polizei und Medien die von einer neonazistischen Terrorgruppe verübten Morde an zehn Menschen bezeichnen, ist wohl kaum noch auszumachen. Eine Mordserie unter Deutschen im Ausland hätte er wohl konsequenterweise "Sauerkraut"- oder "Knödel-Morde" genannt. Aber ob Polizeikollegen und Medien diesen Begriff ebenso dankbar jahrelang übernommen hätten wie die "Döner-Morde"?

 Der grammatikalisch falsche Begriff qualifiziert sich jedenfalls für den Titel „Unwort“ bereits im reinsten Wortsinn. Morde  an Dönern? Morde von Dönern? Nein, er impliziert Falsches: es wurden Menschen ermordet. Die Mordserie der rechten Terrorgruppe an den türkischstämmigen und einem griechischen Kleinunternehmer ist gemeint.  Außerdem ist er sachlich falsch: Es reicht offenbar, das zwei der Opfer in einem Döner-Laden gearbeitet hatten, um die Mordserie an zehn Menschen unter diesem Oberbegriff zusammenzufassen.

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Damit wird der Begriff zum traurigen Zeugnis von Verallgemeinerung, Rassismus und Vorverurteilung in der Gesellschaft. Die Opfer werden wahlweise auf "Döner" reduziert, oder auf Zielscheiben krimineller Machenschaften,  deren Wurzeln weit weg von uns in der Türkei liegen. Denn die Bezeichnung "Döner-Morde" unterstrich die lange gehegte Vermutung der Polizei, dass die Motive der Mordserie im kriminellen Milieu von Schutzgeld- oder Drogengeschäften zu suchen seien, wie die Jury ihre Wahl begründet. Lange Zeit habe die Polizei die politische Dimension der Mordserie dagegen "verkannt oder ignoriert" .

So berechtigt die Wahl zum Unwort ist, bleibt für viele doch eine Frage: Warum wird es erst jetzt gekürt? Schon seit Jahren wabert das Unwort schließlich durch die Medien...

Auch das Unwort "Gutmensch" (Rang 2) hat sich die Jury vorgeknöpft. Der Begriff, der laut Jury in Internet-Foren das ethische Ideal des "guten Menschen" in hämischer Weise aufgreift, um Andersdenkende pauschal zu diffamieren, landete bei der Wahl auf dem zweiten Platz. Er widerspreche Grundprinzipien der Demokratie - was ebenfalls auf den Begriff "marktkonforme Demokratie"(Rang 3) zutrifft. Die Bezeichnung nimmt deshalb laut Jury den dritten Rang unter den "Unwörtern 2011" ein. Die Wortverbindung, in der die Jury eine "höchst unzulässige Relativierung " sieht, geht auf ein Statement von Bundeskanzlerin Angela Merkel zurück.


Favoriten der Yahoo!-Nutzer
Die Auswahl an verbalen Fehltritten ist jedes Jahr schier unendlich, wie auch zahlreiche Vorschläge der Yahoo!-Nutzer zeigen: Von "Nachhaltigkeit", über "Sommer 2011" bis hin zu "havariert" (Zitat von Clever-Nutzer "alex": Im Jahr 2011 war plötzlich nichts mehr beschädigt oder defekt sondern nur noch "havariert") reichen die User-Favoriten. Besonders hoch im Kurs stehen bei den Nutzern  Bezeichnungen rund um das Bundespräsidentenamt („Fachkräftemangel an deutschen Bundespräsidenten") bis hin zum Namen selbst ("Christian Wulff") oder Namensabwandlungen("wulffen", "Pattexwulff", "Wulffsrudel").

Oder wie wäre es mit "herabgestuft"? Mit "Rettungsschirm", "sparen" oder "Stresstest" stammen darüberhinaus viele Vorschläge der Yahoo!-Nutzer aus dem Bereich Finanzen. Aber nicht nur sie, sondern auch Makler und Analysten ärgern sich tagtäglich über Verfehlungen im deutschen Sprachgebrauch - und haben deshalb in Kooperation mit der Düsseldorfer Börse das "Börsen-Unwort des Jahres" gekürt.   Die Wahl fiel mit großer Mehrheit auf den "Euro-Gipfel" - ein Ausdruck der Enttäuschung der Börsianer über die Vielzahl von politischen Treffen, die aus ihrer Sicht jedoch in den meisten Fällen ohne nennenswerte Ergebnisse endeten.

Die "Unwort"-Jury besteht aus sechs Mitgliedern: Vier Sprachwissenschaftler, ein Journalist sowie ein jährlich wechselndes Mitglied aus dem öffentlichen Kultur- und Medienbetrieb. "Unwort des Jahres 2010" war der Begriff "alternativlos".  2009 hieß das Unwort des Jahres "betriebsratsverseucht", 2008 "notleidende Banken".